Roman
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Blumenlust von Claudia Schmid
Edelgard Buchmann ist wieder unterwegs. Sie tauchte ja bereits in so einigen der Kriminalromane von Claudia Schmid auf. Zuletzt in Blumenfieber, wo sie zur Bundesgartenschau 2023, im Mannheimer Luisenpark, den „Bücherhimmel“ managte und natürlich prompt in einen Mordfall gerät. Der Bücherhimmel wurde Andenkenshop bis er zum 50sten Bestehen des Luisenparks wieder Bücherhimmel wird und natürlich sollte sich auch diesmal Edelgard um das Geschäft kümmern. Und natürlich wird es auch kriminell. Wie ihr Mann Norbert zu seinem Leidwesen feststellt, stolpert seine Holde nun mal dauernd über Leichen.
Diesmal sind es Jogger, durchtrainierte junge Männer, die erschlagen aufgefunden werden. Vom Täter keine Spur. Da eines der Opfer mit Edelgard kurz vor seinem Tod gesprochen hat, kommt eine ungeliebte alte Bekannte vorbei, Melanie Härter, die Ermittlerin, die Edelgard vor zwei Jahren der Entführung verdächtigte. Edelgard wird neugieriger und neugieriger. Dann ist da noch ein attraktiver Herr, der sie zum Essen einlädt. Eine Journalistin, die den Auftrag, über das Jubiläum zu berichten, mit einem Klassentreffen verbindet, Florian, der sich für die Reinkarnation König Ludwigs II hält, die Kräuterhexe Chloe und die Influenzerin Fay Zoe, ganz zu schweigen von den Bekannten Edelagrds aus dem Vorgängerbuch. Wo mit wir bei der Schwäche des Buches wären. Es ist von allem ein wenig zu viel und so wird mancher Faden nur lose verknüpft. Doch das ist nur ein Punkt, der vielleicht auch nur so pingelige Lesende wie mich stört. Ansonsten nämlich, liest es sich sehr fein, enthält viele Wissenswertes und Anekdotenreiches über den Park, die Stadt und die Region. Jedenfalls bin ich schon gespannt, wo wir Edelgard das nächste Mal treffen.
Blumenlust
Autorin: Claudia Schmid
Verlag: Gmeiner
ISBN: 9783839203309
Preis: 18,00 € -
Das fünfte Kind von Doris Lessing
Es beginnt Mitte der 60er Jahre in London. Partystimmung, buntes Leben, sexuelle Freizügigkeit und mittendrin begegnen sich David und Harriet, die mit all dem nichts anfangen können. Sie wünschen sich ein richtiges Familienleben, ein großes Haus und so viele Kinder, wie die Natur ihnen schenken möchte. Das stößt nicht nur auf Begeisterung in ihren Familien, denn die Eltern der beiden sind finanziell und arbeitstechnisch gefordert. Die andere Seite ist, dass alle Kritiker und Kritikerinnen sich gerne zu den Festtagen sehen lassen und auch die Ferien gerne dort verbringen, wo man das perfekte Familienleben zelebrieren kann.
Nach vier Kindern und den entsprechenden anstrengenden Schwangerschaften ist Harriet erschöpft und will nun wirklich erst einmal eine Pause, daher bricht nicht die übliche Begeisterung aus, als sie feststellt, dass sie wieder schwanger ist. Diesmal ist es richtig schlimm, denn das Kind in ihrem Bauch scheint gegen sie zu kämpfen, als es endlich zur Welt kommt, ist es zu groß, es hat nichts liebenswertes, gleicht eher, da sind sich alle einig, einem Troll und es ist schwer zu bändigen von Anfang an. Harriet ist der Meinung, dass sich Gene aus grauer Vorzeit in Ben hervorgemendelt haben und das man ein Kind wie dieses, in dieser Zeit ausgestoßen hatte. David meint, sie übertreibt, Ärzte und Erzieher tun es mit hyperaktiv ab. Doch Harriet, die Kinder und auch David haben Angst vor Ben. Je älter und gewalttätiger er wird, um so mehr driftet die Familie auseinander und der Traum von der Großfamilie zerbricht.
Ich habe das Buch bereits vor einigen Jahren gelesen und war sehr froh, dass der Wagenbach Verlag es neu aufgelegt hat. Auch beim neuen Lesen hat es mich wieder gepackt, in seiner Vielschichtigkeit.Das fünfte Kind
'WAT Wagenbachs andere Taschenbücher'.
kartoniert , 187 Seiten
ISBN 3803128773
EAN 9783803128775
Veröffentlicht März 2025
Verlag/Hersteller Wagenbach Klaus GmbH
Übersetzt von Eva Schönfeld -
Nichts wächst im Mondschein von Torborg Nedreaas
Ein Mann geht spät am Abend spazieren, sucht Gesellschaft, sucht Nähe und findet eine Frau, die mit einem roten Koffer am Bahnhof steht. Sie geht mit ihm und stellt ihn vor die Wahl: Für die Nacht kann er ihren Körper haben oder ihre Seele. Er entscheidet sich für Letzteres und sie beginnt ihm ihre Geschichte zu erzählen.
Aufgewachsen ist sie im Norden als Tochter eines Bergmanns, die Familie ist arm und doch will der Vater die Frau auf die Realschule schicken. Sie ist 18 als sie sich in Johannes, ihren Lehrer verliebt. Johannes geht gerne mit ihr in die Wälder, fährt auch mit ihr für einige Tage weg, doch er kann und will sie nicht heiraten. Johannes braucht eine reiche Frau, kein Armeleutekind. Die Frau entwickelt eine regelrechte Besessenheit, zieht in die Stadt, um ihm nahezusein, aber nicht nur deswegen, auch weil sie den Anblick ihrer abgearbeiten Mutter, das Leid ihrer unverheiratet schwangeren Schwester und das größte Vergnügen der Bergmannssiedlung, boshaften Klatsch, nicht mehr erträgt.
Das Verhältnis mit Johannes bleibt ambivalent und hat auch Folgen, die seinerseits mit einem Geldschein und ihrerseits mit einem Gang zu einem Arzt, der Mitleid hat, aus der Welt geschafft werden. Bis Johannes schließlich die Apothekertochter heiratet.
Die Frau hat im Ort, wo sie äußerst misstrauisch beäugt wird, nur einen Freund. Den Organisten der Kirche. Einen gescheiterten Pianisten, der schließlich Selbstmord begeht.
Der Roman ist 1947 erschienen und erzählt schonungslos vom Leben der Armen, besonders dem der Frauen, von der Bigotterie der besseren Gesellschaft und was soziale Ausgrenzung bedeutet. Torborg Neddreaas erzählt schonungslos von Abtreibungen unter unsäglichen Bedingungen, von Ausbeutung, Alkoholismus und von der Angst endgültig unterzugehen. Ihre Erzählerin schwankt zwischen Lakonie und Verzweiflung, ihr Zuhörer bleibt meistens stumm, doch schwer erschüttert.Fazit: Ein forderndes, grandioses Buch.
Nichts wächst im Mondschein
Autorin: Torborg Nedreaas
Übersetzerin aus dem Norwegischen: Gabriele Haefs
Verlag: Luchterhand
ISBN: 9783630878034
Preis: 22,00 € -
Geht so von Beatriz Serrano
Als erstes wirft Marisa morgens eine Tavor ein, um ihren Job in der Werbeagentur zu ertragen. Sie ist Key Managerin in der Creativ-Abteilung und hat einen Titel, der wichtiger klingt, als es die Stellung verdient. Marisa weiß um die Sinnlosigkeit ihrer Arbeit und sie hat ein System entwickelt, durch den Alltag zu kommen, um was erledigt werden muss, mit so wenig Aufwand wie möglich zu erledigen. Die Zeit zwischen Meetings und Büroblabla, verbringt sie damit, Youtubes Videos zu gucken.
So wie Marisa geht es vielen, sie hängt in einem Job fest, der bestenfalls als Beschäftigung, aber bestimmt nicht als erfüllende Arbeit, empfunden werden kann. Sie hat ihre Workarounds gefunden und sich eingerichtet.
Doch dann kommt der Tag, an dem ihre Kollegin Rita sie fragt, wie es ihr geht und sie nicht wie sonst mit dem obligatorischen „Gut“ antwortet, sondern mit „Geht so“. Rita ist eine von denen, die nie länger bleibt, nie Sachen übernimmt, die nicht in ihren Bereich gehören und sich über alle lustig macht und eines Tages tot ist, man weiß nicht, ob sie einen Unfall hatte oder ob sie sich das Leben genommen hat. Mit diesem „Geht so“ bricht eine Mauer, Marisa wird sich der Sinnleere ihres Lebens immer bewusster und hält nur noch irgendwie durch. Doch wie es so ist, gibt es Schlimmeres, als irgendwie einen hirntötenden Job überstehen. Dieses Schlimmere heißt „Teambildungsmaßnahme“, klar dass sich diese nur mit Drogen überstehen lässt.
Beatriz Serrano hat da ein Buch geschrieben, dass voll den Zeitgeist trifft. Es hat auch alles, was so ein Buch haben sollte. Doch es gelingt der Autorin nicht immer ein Gleichgewicht zu halten. Meine Empfindungskurve bewegte sich schon sehr zwischen „sehr gut“ und „geht so“.GEHT SO
Autorin: Beatriz Serrano
Übersetzerin aus dem Spanischen: Christiane Quandt
Verlag: Eichborn
ISBN: 9783847902126
Preis: 22,00 € -
Forschungen einer Katze von Katja Kettu
Das Amt für Forschung und Unterstüzung der Lichten Lebensformen beordert ein Geistwesen in Gestalt einer Katze ins Jahr 2020 nach Eira, doch die Katze landet im Jahr 1917 hoch im Norden Finnlands, nahe der sowejetischen Grenze, und kann dort das Leben von Eeva, der Urgroßmutter der Schriftstellerin, zu deren Unterstützung und Erforschung sie eigentlich geschickt wurde, beobachten. Dann hat die Schriftstellerin im Jahr 2020 eine Fehlgeburt und plötzlich ist die Katze dorrt. Sie sieht die Verzweifelung ihrer Schutzbeauftragten und da sie, wie wir hier bereits bemerkt haben, in der Zeit hin und her springen kann, erlebt sie was zur Schwangerschaft, zur Trennung vom Erzeuger des Kindes und zu der tiefen Depression geführt hat, die der Schriftstellerin die Sprache und die Worte raubt. Schließlich befinden sich Katze und Schriftstellerin dort wo alles begann, auf der Insel nahe der russischen Grenze, wo Urgroßvater Mahte und Urgroßmutter Eeva gelebt und geliebt haben. Wo sie Krieg und Bürgerkrieg und wieder Krieg erlebten, wo ihr Haus abbrannte und wieder aufgebaut wurde. Wo Mahte mit den Kranichen tanzte und Eewa ihre Kräuter sammelte und Zauber sprach. Zurück an den Wurzeln kann die Heilung beginnen und die Katze weiß was die Schriftstellerin braucht, um die Worte wieder zu finden.
Was für eine Geschichte. Ich habe gelacht, geweint, die Magie gespürt und bin hingerissen. Es ist eindeutig eines der Bücher, die man am Liebsten sofort nach dem Auslesen, wieder von Vorne beginnen würde. Die Stuktur der verschiedenen Stimmen ist es, die dem Stoff noch mehr Tiefe und Authentizität geben. Einmal erzählt die Katze, dann die Schriftstellerin, Eeva äußert sich in Form von Tagebucheinträgen und dann sind da noch die Verhörprotokolle aus Mahtes Gefangenschaft. Es ist die Geschichte der Familie der Schriftstellerin, aber auch die Geschichte Finnlands auf seinem Weg zum eigenen Staat. Und es ist eine Geschichte über die strukturelle und tatsächliche Gewalt gegen Frauen.
Forschungen einer Katze
Autorin: Katja Kettu
Übersetzerin aus dem Finnischen: Tanja Küddelsmann
Verlag: Weissbooks
ISBN: 9783863372224
Preis: 28,00 € -
Frühlingsnacht von Tarjei Vesaas
Ein Haus auf dem Land. Die Eltern sind über Nacht aus dem Haus. Der14 jährige Hallstein und seine ältere Schwester Sissel genießen die Abwesenheit der Erziehungsberechtigten und die Wärme des Tages. Als sie sich zum Abendessen setzen, klopft es und vor der Tür stehen ein Mädchen in Hallsteins Alter, ein älterer und ein jüngerer Mann. Letzterer hat eine hochschwangere Frau in den Wehen auf dem Arm. Die Familie hatte eine Autopanne und muss nun erst einmal bleiben und natürlich muss auch noch die Frau, Kristine, die noch im Auto sitzt, weil sie nicht laufen kann, geholt werden. Schnell zeigt sich, dass die Autopanne das geringste Problem der Familie ist. Die Konflikte entladen sich und Hallstein und Sissel befinden sich mittendrin.
In dieser Nacht geschieht alles auf einmal. Geburt, Tod, erste Liebe, Verrat und Enttäuschung, es ist alles dabei. Tarjei Vesaas beherrscht es meisterhaft Spannung aufzubauen, ohne eigentlich zu benennen was vorgeht. Im Unausgesprochenem entfaltet sich ein Drama. Was hat sich zwischen Kristina und ihrem Mann zugetragen? Warum spricht sich nicht? Was hat Karl im Krieg erlebt? Was hat ihn verändert? Und täuscht Hallstein sich darin, dass Gudrun ihn mag? Eine turbulente Frühlingsnacht in einfachen Worten erzählt. Tarjei Vesaas hat auf Nynorsk beschrieben, der Umgangssprache, während zu seiner Zeit die meisten Autor:innen Bokmal, die Buchsprache wählten. Doch gerade die Schlichtheit der Worte verleihen dem Text eine ganz besonders Dichte.
Fazit: Wundervoll
Frühlingsnacht
Autor: Tarjei Vesaas
Übersetzer aus dem Norwegischen: Hinrich Schmidt-Henkel
Nachwort: Hanne Orstavik
Verlag: Guggolz
ISBN: 9783945370490
Preis: 25,00 € -
Dienstmädchen für ein Jahr von Sigrid Boo
Es sind die 30er Jahre. Helga, Tochter aus gutem Hause und gerade 19, ist ein wenig verärgert, weil ihr Vater ihr keine Paris Reise finanzieren will. Nicht genug damit, als die Herren aus ihrer Clique, besonders ihr derzeitiger Favorit Jörgen Krogh, behaupten, dass so verwöhnte junge Damen, nicht in der Lage sind, irgendeine vernünftige Arbeit zu verrichten, lässt sie sich auf eine Wette ein. Ein Jahr lang wird sie sich als Dienstmädchen verdingen. Schafft sie es, lockt ein Diamantring. Die Regeln werden festgelegt und schon geht es los. Eine dieser Vorgaben gibt denn auch das Format dieses Buches vor. Es ist ein Briefroman. Einmal im Monat berichtet Helga ihrer Freundin Greta über ihr Leben. Eine weitere Regel ist: Sie darf niemanden erzählen, wer sie wirklich ist.
Helgas erste Stelle ist in der Stadt, bei einer Familie, die sich eigentlich kein Dienstmädchen leisten kann, sich aber gerne den Anschein von Luxus geben möchte. Dort bleibt sie nicht lange. Danach kommt sie auf Gut Vinger, außerhalb der Stadt, unter. Dort findet sie Freunde und natürlich gibt es dort auch einen Mann, der ihr Interesse erregt.
Sigrid Boo lässt ihre Protagonistin leicht und charmant über ihr Leben, auf der anderen Seite der Gesellschaft, erzählen. Es ist ein Vergnügen Helgas Berichten zu folgen. Was mir allerdings eindeutig fehlt, ist die dunkle Seite einer solchen Stelle. Es wird schon angedeutet, dass dem Personal mehr oder weniger immer mit Misstrauen begegnet wird. Sei es, dass natürlich der Verdacht auf das Dienstmädchen fällt, wenn etwas abhandenkommt oder die generelle Annahme, dass die Angestellten sich einen Vorteil erschleichen wollen. Das diese Themen nicht vertieft werden, liegt natürlich daran, dass Helga aus der Perspektive einer Frau erzählt, die jederzeit sagen kann, es reicht! Ich gehe zurück in mein eigentliches Leben. Was hat sie schon zu verlieren? Außer einer Wette? Nichts! Während ein Mädchen, dass auf eine solche Stelle angewiesen war, sich sehr viel mehr vorsehen musste.
Dienstmädchen für ein Jahr
Autorin: Sigrid Boo
Übersetzerin: Gabriele Haefs
Verlag: Rowohlt Kindler
ISBN 9783463000732
Preis: 24,00 -
Mathilda von Mary Shelley
Mathilda ist der zweite Roman Mary Shelleys, der allerdings zu ihren Lebzeiten 1797 – 1851) unveröffentlicht geblieben ist.
Mathildas Mutter stirbt bei ihrer Geburt. Ihr vor Trauer gebrochener Vater geht aus England fort und lässt das Kind bei seiner älteren Schwester. Diese versorgt das Mädchen zwar, ist aber keine liebende Natur und so bleibt Mathilda sich selbst überlassen. In ihrer Einsamkeit entwickelt sie eine Liebe zur Natur und zu Geschichten und träumt von einer Wiedervereinigung mit ihrem Vater. Zu dieser kommt es denn auch, als Mathilda 16 Jahre alt ist. Einige Monate ist ihr Zusammenleben die reinste Wonne. Doch dann, von einem Moment zum anderen, so scheint es dem Mädchen, verändert sich der geliebte Vater. Er wird brüsk und abwesend, scheint sich von ihr abzuwenden. Mathilda ist verzweifelt und will den Grund erfahren. Sie drängt so sehr darauf, dass er ihr wider besseres Wissen gesteht, was ihn umtreibt und erkennt, dass seine Gefühle so abseits allen natürlichen sind, dass er nur einen Weg sieht.
Mathilda zieht sich in die Einsamkeit zurück und ist sich sicher, dass es für sie kein Glück geben kann und darf. Sie gibt sich ihrem Leid und ihrer Todessehnsucht hin. Auch als der Dichter Woodville, ebenfalls ein Trauernder, sich ihr in Freundschaft nähert, ist sie nicht in der Lage, sich aus ihrem Unglück zu lösen. Woodvilles Streben ist im Gegensatz zu ihrem, trotz all seiner Trauer, auf ein Weiterleben und eine Hoffnung auf Glück gerichtet.
Mary Shelley, die selbst viele Verluste in ihrem Leben zu beklagen hatte, kannte sich mit Trauer aus. Zwei ihrer Kinder starben und ihr Mann, der Dichter Percy Bysshe Shelley, ertrank gerade einmal 33jährig. Wie autobiografisch die Vater Tochter Geschichte ist, lässt sich nicht sagen. Was sich aber sagen lässt, ist, dass die Autorin das Thema in all seiner Tiefe angegangen ist. Das zweite Thema, was sich fast durchgängig durch diesen großen kleinen Roman zieht, ist die Todessehnsucht der Heldin, die teils nur schwer zu ertragen ist. Was an keiner Stelle ausgesprochen wird, was aber mitschwingt ist, dass Mathilda, das Opfer, meint Schuld auf sich geladen zu haben. Etwas, was uns ja auch heute nicht fremd ist.
Mathilda
Autorin: Mary Shelley
Übersetzung und Nachwort: Stefan Weidle
Verlag: Pendragon
ISBN: 9783865328700
Preis: 22,00 €
erscheint am 05.03.2025 -
Wildwandler – Der Ruf der weißen Eule von Håkon Marcus
Nein, wirklich glücklich ist Embla nicht. In der Schule gilt sie als komisch und seit ihre Freundin Fernanda weggezogen ist, ist sie sehr einsam. Auch zu Hause läuft es nicht gut, die Eltern scheinen so gar nicht zu verstehen, dass sie am liebsten drinnen ist und liest. Schließlich haben die es satt und verhängen einen umgekehrten Hausarrest und den soll ausgerechnet ihre ältere Schwester, die allseits beliebte Malene, überwachen. Ach ja, und Embla soll zu ihrem Geburtstag eine Party feiern.
Dann ist da noch ein Mistkäfer, der ihr Nachrichten schreibt und merkwürdige Vorgänge mit anderen Tieren. Und da ist Mikael, der Junge mit den roten Augenbrauen und dem Motorrad, der ihr rät, nicht in den Wald zu gehen. Als sie es doch tut, wird sie von Strixen angegriffen. Mikael rettet sie. Er bringt sie in die Kgl. Anthropometazonische Botschaft von Vielfalt, wo sie Asyl erhält und erfährt, dass sie ein Werwesen ist. Da sie ihre Gestalt noch nicht wechseln konnte, ist nicht klar, welches Tierwesen sie sein wird, doch, so wird er erklärt, wäre das nicht unegewöhnlich. Embla bereitet sich nun auf die Prüfung vor, die ihr erlaubt in beiden Welten zu leben. Doch irgendwas scheint nicht so ganz zu stimmen. Sogar in der Botschaft wird sie angegriffen und als die Prüfungen beginnen, wird es richtig eng für Embla und ihre Freunde.
Es ist lange her, dass ich ein Jugendbuch mit solcher Freude gelesen habe. Håkon Marcus hat da einen wundervollen Serienauftakt geschrieben und ich freue mich bereits auf den 2. Teil. Der Autor hat nicht nur eine sehr eigene Welt mit ungewöhnlichen Wesen geschaffen, wer hat schließlich schon mal von einem Werseestern gehört, sondern eine Landschaft verschwimmender Grenzen. Einen Raum also, in dem nicht immer klar ist, was und wer gut oder böse ist und wie oft beides beieinander liegt.
Fazit: Unbedingt lesenswert und nicht nur für Jugendliche. Auch 67jährige, wie ich, werden ihre Freude an dem Buch haben.
Wildwandler - Der Ruf der weißen Eule
Autor: Håkon Marcus
Übersetzerin: Gabriele Haefs
Verlag: arsEdition
ISBN: 9783845860824
Preis: 17,00 € -
Die Fletchers von Long Island von Taffy Brodesser Akner
Es beginnt 1980. Die Fletchers sind sind eine typisch amerikanisch-jüdische Familie. Carl leitet die Styropor-Fabrik, die er von seinem Vater übernommen hat, Phyllis, seine Mutter ist der Segen und der Schrecken der jüdischen Gemeinde und der Historischen Gesellschaft, während Ruth, Carls Frau, Hausfrau und Mutter ist. Nathan und Bernhard (genannt Beamer) sind bereits auf der Welt, Jenny ist unterwegs. Da geschieht es. Carl wird auf dem Weg zur Arbeit entführt. Die Familie zahlt ein hohes Lösegeld und er kommt nach einer Woche frei. Auch wenn Phyllis ihm immer wieder sagt: Das ist nur deinem Körper geschehen, nicht Dir! So ist er doch schwerst traumatisiert und das wirkt sich auf die gesamte Familie aus. Über 30 Jahre später steht die angesehene Familie, vor einem Scherbenhaufen. Ihre Firma ist pleite, es stehen Strafgelder wegen Umweltverstößen aus und keiner weiß so recht wie es weitergeht. Nathan, der älteste Sohn, ist bei aller Vorsicht aus seinem Job als Anwalt geflogen, Beamer, der als Drehbuchautor tätig (eher untätig ist) kommt auf keinen grünen Zweig und Jenny, die ihrer Familie zum Trotz als Gewerkschafterin arbeitet, stellt fest, dass es vielleicht doch nicht so eine gute Idee war, die vierteljährlichen Tantiemen zu verschenken. Überhaupt wird allen bewusst, wie sehr sie sich über den Reichtum der Familie definiert haben, als dieser Reichtum nicht mehr da ist.
Es ist ein kluges und witziges Buch. Es gibt Stellen an denen ich schallend gelacht habe, aber auch solche an denen ich dachte: Das wäre auch kürzer gegangen! An manchen Stellen zieht es sich doch sehr.
Die Charakterstudien der Fletchers sind sehr fein. Der Aufbau auch. Man glaubt zuerst eine nette jüdisch-amerikanische Familie kennenzulernen, entdeckt aber schnell, dass diese Leute so einige Abgründe haben. Sie alle lügen. Sie belügen ihre Partner, sie belügen sich selbst, sie sind vom Leben enttäuscht und sie sind hängengeblieben. Ob sie die Chance, die in der Zerstörung ihrer Welt liegt, nutzen können ist mehr als fraglich.
Fazit: Feines Buch! 100 Seiten kürzer, wäre es sogar ein sehr gutes Buch!
Die Fletchers von Long Island
Autorin: Taffy Brodesser Akner
Übersetzerin: Sophie Zeitz
Verlag: Eichborn
ISBN: 978-3-8479-0211-9
Preis: 25,00 €