• Roman

    Schneezauber über Stockholm von Camilla Davidsson

    Es geht auf Weihnachten und wer macht es sich in der Zeit nicht gerne mit Tee, Gebäck und einem romantischen Schmöcker gemütlich? Wenn das Ganze auch noch interessante Wendungen hat, in einer schönen Stadt spielt, man den Glögg förmlich riecht und die Lichter blinken, ist die Welt doch in Ordnung.

    In Ordnung ist sie allerdings für die Protagonistin dieser Geschichte anfangs so gar nicht. Alice ist nach der Trennung von ihrem langjährigen Freund in eine Depression versunken. Nicht nur ihn ist sie losgeworden, sondern auch ihren Job. Nun ist es kurz vor Weihnachten, sie hockt in ihrer Wohnung und das Geld wird knapp. Da schickt Freundin Wilma ihr Samuel, einen Krimiautor, der sich nun in Sachen Feelgood Roman versuchen will, und einen Coach braucht. Alice greift zu und wird aus ihrer Höhle gelockt. Samuel und sie kommen sich näher, da ist aber auch noch Elias, ein sehr attraktiver Schauspieler, der sich für Alice interessiert. Doch nicht nur das Interesse am anderen Geschlecht wird bei unserer Heldin geweckt, nein sie entdeckt auch die Weihnachtsfreude wieder.

    Ein Schmöcker so richtig fürs Herz und Gemüt.

    Schneezauber über Stockholm
    Autorin: Camilla Davidsson
    Übersetzerin aus dem Schwedischen: Gabriele Haefs
    Verlag: Fischer
    ISBN: 9783596709182
    Preis: 13,00 €

  • Fantastisch,  Krimi

    Finger ab von Hannelore Cayre

    Es beginnt in der Dordogne, mit dem Bau eines nicht genehmigten Swimming Pools. Die polnischen Arbeiter finden beim Ausschachten zwei Skelette und weigern sich die Arbeit fortzusetzen. Ein Priester wird geholt, der geht weiter in den Schacht und findet eine Höhle, die bedeckt ist von Handabdrücken, alle von Frauen. Merkwürdig daran, den Händen fehlen Finger. Er informiert eine Paläontologin, diese beginnt mit der Auswertung und macht sich Gedanken, über die Skelette, über die Handabdrücke und besonders über den, der nicht wie die anderen ockerfarben ist, sondern schwarz und dem, als einzigen unter den vielen, der Daumen fehlt.

    Hannelore Cayre hat hier einen besonderen Krimi geschrieben. Denn es kann ja nur vermutet werden, was vor 35000 Jahren wirklich geschehen ist. Warum all diese Abdrücke verstümmelter Hände? Die Autorin erzählt, unterbrochen vom Vortag der Paläontologin, wie das Leben der Frau mit dem amputierten Daumen und ihrer Sippe ausgesehen haben könnte. Wie die ersten Treffen zwischen Homo Sapiens und Homo Neandertalensis verlaufen sein könnten. Sie erzählt die Geschichte von Olie, einer Homo Sapiensfrau, die sich nicht in die ihr zugedachte Rolle der Frau einordnen will. Sie will jagen gehen, eine Aufgabe die den Männern vorbehalten ist, sie will keine Kinder und genau das kostet sie zwei ihrer Finger und letztlich den Daumen ihrer rechten Hand. Denn der Führer der Sippe, der älteste Onkel, ist überzeugt, dass solche wie Olie die Welt ins Chaos stürzen und die Strafe für Frauen, die sich wiedersetzen oder sonst unangenehm auffallen, ist das Abhacken eines Fingers.

    Ein feines Buch, voller interessanter Gedankenspiele, über das was gewesen sein könnte.

    Finger Ab
    Autorin: Hannelore Cayre
    Übersetzerin aus dem Französischen: Iris Konopik
    Verlag: Argument Ariadne
    ISBN: 9783867542791
    Preis: 15,00 €
  • Erzählung

    Die Insel, die unsere war von Micheál Ó Conghaile

    Inis Treabhair, eine kleine Insel vor dem irischen Festland im Atlantik. Heute ist sie unbewohnt, aber das war nicht immer so. Der Autor wuchs auf dieser Insel auf und nimmt die Lesenden mit in seine Kindheit. Genauer gesagt, in die Weihnachtszeit. Während er von den Weihnachtsvorbereitungen erzählt, schweift er immer wieder ab und erklärt das Inselleben. Es gibt dort Landwirtschaft, eine kleine Schule, aber der Torf, der zum Heizen verwendet wird muss, wie so vieles, vom Festland gebracht werden. Einen Laden gibt es auf der Insel nicht, zum Einkaufen rudert man mit dem Currach ans Festland. Es ist eine arbeitsreiche Kindheit, aber auch eine beschauliche. Inis Treabhair gehört zu Connemara, den Teil des Landes, in dem die irische Sprache lebt und in dieser schreibt der Autor.

    Micheál Ó Conghaile blickt zurück auf diese Zeit, doch weder nostalgisch verklärt, noch anklagend, sondern so, als wenn es eben so war und wie es war, war es gut. Da Ó Conghaile ein begnadeter Erzähler ist, braucht es keine Katastrophen, keine großen Erschütterungen, um die Lesenden bei der Stange zu halten, es reicht sich der Geschichte hinzugeben und ganz neben bei einiges über die irische Sprache zu erfahren. Denn die Übersetzerin Gabriele Haefs, hat ein kleines Kompendium der wichtigsten Begriffe und wie man die Namen ausspricht angefügt. Sehr fein auch die Weihnachtsgedichte von Máirtin Ó Direain und Cuiread do Mhuire.

    Also kurz gesagt, es ist ein wundervolles, kleines Büchlein, dass sich zu jeder Jahreszeit lohnt, aber besonders zur Weihnachtszeit. Es erinnert an eine Zeit in der die Weihnachtszeit vom 8.12. – 6.01. dauerte und nicht schon kurz nach den Sommerferien begann. Obwohl ich in Deutschland aufgewachsen bin, in einem eher säkularen Haushalt, habe ich vieles wieder erkannt.

    Die Insel, die unsere war
    Autor: Micheál Ó Conghaile
    Übersetzerin aus dem Irischen: Gabriele Haefs
    Weissboks Verlag
    ISBN: 9783863372170
    Preis: 22,00 €

  • Biogragisch/Autobiografisch,  Norwegen

    Rückkehr in die Zukunft von Sigrid Undset

    Am 09. April 1940 geschieht, womit die wenigsten Norweger:innen gerechnet haben: Die Deutschen marschieren ein. Sechzig Tage wehren sich die unvorbereiteten Norweger:innen, dann müssen sie kapitulieren. Die Schriftstellerin und Nobelpreisträgerin Sigrid Undset steht weit oben auf der Schwarzen Liste der Besatzer, hat doch Goebbels verkündet, er würde dafür sorgen, dass der Name Sigrid Undset nie wieder in Norwegen erwähnt werde.

    Undset flieht auf Skiern und Schlitten nach Schweden, wo sie Verwandte, Freunde und ausstehende Honorare hat. Sie bekommt eine Reisegenehmigung für sich und ihren Sohn Hans in die USA und macht sich über Russland und Japan dorthin auf den beschwerlichen Weg.

    In den USA angekommen, beginnt sie „Rückkehr in die Zukunft“, zu schreiben. Es ist 1941 und so einiges was in Norwegen geschieht entzieht sich ihrer Kenntnis. Da Sigrid Undset eine ist, die kein Blatt vor den Mund nimmt und in ihrem Eigensinn, an Kristin Lavranstocher, der Heldin ihrer gleichnamigen Roman Trilogie, erinnert, äußert sie sich laut und abfällig über die Zustände im stalinistischen Russland. Über den Dreck und das Elend, das ihr in Moskau und Wladiwowstok begegnen. Während ihrer Reise denkt sich über Menschen und ihren Hang zu Diktaturen und Totalirismus statt.

    Die autobiografische Erzählung ist ein Stück Zeitgeschichte. Keine Frage, allerdings ist Undsets Deutschenhass, man kann es fast Rassenhass nennen, teils nur schwer zu ertragen. Und doch wünsche ich mir, dass dieses Buch viele Lesende findet. Gerade bei den derzeitigen Entwicklungen, nicht nur in Deutschland, kann es nur hilfreich sein, einen kritischen Blick zu zulassen.

    Rückkehr in die Zukunft - Eine autobiografische Erzählung
    Autorin: Sigrid Undset
    Übersetzerin: Gabriele Haefs
    Nachwort: Gabriele Haefs
    Verlag: Kröner
    ISBN: 9783520629012
    Preis: 25,00 €
  • Erzählung,  Norwegen,  Uncategorized

    Eine ganz gewöhnliche Fliege und andere heitere Geschichten von Knut Hamsun

    Elf frühe Geschichten des norwegischen Literaturpreisträgers Knut Hamsun, der sicher zu einem der bekanntesten norwegischen Schriftstellern zählt. Gabriele Haefs hat diese Geschichten herausgegeben, doch übersetzt wurden sie nicht nur von ihr, sondern auch von Dörte Giebel, Christel Hildebrandt und Evelyn Dalsrud. Was jeder Übersetzung eine ganz eigene Färbung verleiht.

    Um es gleich zu sagen, es sind wundervolle Geschichten, herrlich skurill und voller Schelmerei. Gabriele Haefs schreibt im Nachwort über Hamsun, dass er immer auf der Suche nach der großen Liebe war – am liebsten nach einer unerreichbaren. In der Geschichte Die Königin von Saba nimmt er das Thema auf und lässt einen jungen Mann, der die Freundlichkeit einer Dame falsch intepretiert, diese durchs ganze Land verfolgen. Fein auch wie er beschreibt, wie man der Kreatur ausgeliefert sein kann. Wenn ein Kutschpferd nun mal beschließt sich nicht weiter zu bewegen, dann ist nichts zu machen. In der Episode von London nun, nimmt er sich der Problematik an, wie man damit umgehen kann, wenn die Natur ruft, man aber dem Ruf aber gerade nicht folgen kann.

    Knut Hamsun ist vielen Lesenden durch seinen Roman Hunger bekannt und wer nur den von ihm gelesen hat, wird erst einmal abwinken und sagen, dass das Buch zwar fein sei, aber auch bedrückend. Solchen sei geraten sich nicht davon abhalten zu lassen, sich der makabar heiteren Seite Hamsun zu öffnen. Diese elf Geschichten sind ein guter Einstieg. Ohne sie hätte ich nie erfahren, wie eng das Verhältnis zu einer ganz gewöhnlichen Fliege sein kann. Ich hoffe sehr, dass der Reclam Verlag sich zu weiteren Veröffentlichungen hinreißen lässt. Im Hamsun-Fundus liegen Schätze die gehoben werden sollten.

    Eine ganz gewöhnliche Fliege und andere heitere Erzählungen
    Autor: Knut Hamsun
    Herausgeberin: Gabriele Haefs
    Übersetzerinnen: Evelyn Dalsrud, Dörte Giebel, Gabriele Haefs und Christel Hildebrandt
    Nachwort: Gabriele Haefs
    Verlag: Reclam
    ISBN 978-3-15-011490-2
    Preis: 20,00 €
  • Crime noir,  Krimi,  Polar Verlag

    Scharfe Munition

    Mit Scharfe Munition liegt nun der siebente und letzte Band aus der Reihe um Detektiv Sergant Brant vor und hat es, wie die sechs Vorgänger, in sich. Nicht nur begegnen wir den altbekannten Polizisten und Polizistinnen, sondern auch einigen der Ganster und Mörderinnen der früheren Bücher. Aber nun zu Scharfe Munition:

    Auf Brant wird geschossen. Irgendjemand hat ihm einen Profikiller auf den Hals gehetzt. Nur knapp, durch das beherzte Eingreifen seines Kollegen Porter, überlebt Brant. Die Ermittlungen beginnen, doch da Brant nun einmal ist wie er ist, ist es einfacher die aus zu sortieren, die es sicher nicht waren. Er ist nun einmal ein Kotzbrocken, bestechlich, rücksichtslos und vor allem bar jeder Ethik und Moral. Auch viele seiner Kollegen und Kolleginnen sind nur schwer von denen, vor denen sie ihre Mitmenschen schützen sollen, zu unterscheiden. Doch so weit wie Brant treibt es keiner. Ken Bruen erzählt fragmenthaft und sein Hauptaugenmerk liegt weder auf Forensik noch auf den Segnungen der Technik, sondern auf den Charakteren und es macht großen Spaß denen durch Südost-London zu folgen.

    Im Nachwort schreibt Anthony J. Quinn:

    Seit 2020 die fünf großen Buchverlage zu vier Machtzentren zusammengelegt wurden, sind Autoren wie Ken Bruen nur durch den unermüdlichen Einsatz unabhängiger Verlage wie dem Polar Verlag mit seinem Team aus engagierten Herausgebern, Übersetzern und Übersetzerinnen überhaupt noch der Leserschaft zugänglich. Ohne ihren Mut und Kampfgeist würden wir in einer Welt einheitlicher, glatt gebügelter Romane leben, denen jeglicher Realismus entzogen wurde, der nicht der Weltsicht aus einigen Büros aus New York und London entspricht, und die sich vor allem an die Lesezirkel der Mittelschicht richten. Eine neue Form der Zensur, und gefährlich.

    Ich kann Anthony J. Quinn nur zustimmen. Ein besonderer Dank auch an den Polar Verlag, dass man dort die Leser und Leserinnen mit einem Disclaimer verschont, in dem erklärt wird, dass brutale, politisch unkorrekte Sprache verwendet wird und das zarte Seelchen sich besser wappnen sollten. Das erfrischende an Ken Bruen ist ja, dass seine Charaktere, genau das sind. Sie sind sexitisch, rassitisch, homophob und brutal und wirken alle Mal realistischer, als die glattgestrickten Helden und Heldinnen anderer Bücher, die sich so auf dem Markt tummeln.

    Scharfe Munition
    Autor: Ken Bruen
    Herausgeb. Jürgen Ruckh
    Übersetzerin: Karen Witthuhn
    Nachwort: Anthony J. Quinn
    ISBN: 978-3-910918-10-8
    Preis: 17,00 €
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    Ich erkenne eure Autorität nicht länger an von Glenn Bech

    Ein Manifest gewidmet dem Klassenkampf!

    Glenn Bech ist Autor und Psychologe. Er stammt aus einem kleinen Ort in Jütland, für den er zu schwul ist, während er für Kopenhagen nicht queer genug ist. Er sitzt zwischen allen Stühlen, für seine Familie ist seine Sprache zu akademisch, für seine studierten Freunde zu ordinär. Jeder maßt sich ein Urteil an, sortiert das Gegenüber in Schubladen und die, die sich nicht sortieren lassen, stehen immer am Rand. Fühlen sich nie richtig dazugehörig. Das Armut bereits ausgrenzt, erfährt Bech bereits in der Schule.

    Warum erlauben wir uns, aus unserer Klasse, unserer Gemeinschaft, unserer sexuellen Orientierung heraus, die die anders sind abzuurteilen und warum lassen wir uns be- und verurteilen, weil wir nicht in ein bestimmtes Raster passen? Warum ist jeder sofort beleidigt, wenn man nicht dessen Weltbild teilt?

    es ist eine Abwärtsspirale
    wenn niemand Kritik verträgt
    ich glaube das ist der Untergang der Gesellschaft
    (S 94)

    Glenn Bechs Text ist im Gedankenstrom geschrieben und einer meiner ersten
    Gedanken war, da hat sich einer mal richtig ausgekotzt! Immer öfter jedoch dachte ich: Da spricht mir einer aus der Seele!

    Ich erkenne eure Autorität nicht länger an
    Autor: Glenn Bech
    Übersetzung aus dem Dänischen: Andrea Paluch
    Verlag: Kröner
    ISBN 978-3-520-62701-8
    Preis: 25,00 €

  • Roman,  Uncategorized

    Schwäbisches Capriccio von Anšlavs Eglītis

    Anšlavs Eglītis Episodenroman Schwäbisches Capriccio hat deutlich autobiografische Züge. Allerdings ist der Autor im Gegensatz zu seinem Alterego Pēteris Drusts kein Junggeselle, sondern traf mit seiner Frau, der Kunstmalerin Veronika Janelsina, gegen Kriegsende auf der Alb ein. Taiflingen, das heute ein Stadtteil von Albstadt ist, wurde zu seinem fiktiven Pfifferlingen.

    Es ist 1945, kurz vor Kriegsende, als Pēteris Drusts auf der Schwäbischen Alb landet. Eigentlich wollte er direkt in die Schweiz und von dort denn weiter. Doch nachdem er zuerst aus Riga vor der Roten Armee geflohen ist und später in Berlin ausgebombt wurde, landet er in dem gar nicht ganz so kleinen, beschaulichen Pfifferlingen und bleibt dort hängen. Er, der weltgewandte Großstädter, ist erstaunt, wie unberührt vom Krieg das Städtchen wirkt, in dem soviele Einwohner Bitzer heißen und in dem sich so wenig ändert. Vier Jahre verbringt Pēteris Drusts in Pfifferlingen und beobachtet die Schwaben und erkennt dabei: Ratschläge erhalten mögen die Schwaben nicht, allerdings geben sie gerne welche!

    Eine Arbeit aufnehmen will Pēteris Drusts nicht, einmal weil er die Kriegswirtschaft nicht unterstützen will und zum anderen, will er ja auch gar nicht bleiben. Mehr aus einer Laune heraus besorgt er sich ein Zimmer und Lebensmittelkarten und versucht den Tag herumzubekommen ohne das seine Arbeitslosigkeit entdeckt wird. Denn in Pfifferlingen geht der erwachsene Mann morgens zur Arbeit, kommt zum Mittagessen heim und arbeitet dann bis zum Feierabend weiter. Dabei hat er Zeit seine Mitmenschen zu beobachten und sich zu wundern. Manchmal erinnern seine humorvollen Beobachtungen fast an Schilda. Da ist zum Beispiel die Sparsamkeit. Einem gewissen Hanno zum Beispiel brennt das Haus ab, weil er sich nicht für eine Löschmethode entscheiden kann. Schließlich weiß man nie, ob es nicht eine kostengünstigere Variante gäbe. Dann ist da der Bürgermeister, ein besonnener Mann, der immer einen Weg findet, die Befehle der Nazi-Regierung zu befolgen, aber eben nicht ganz. Er handelt besonnen und im Interesse seiner Stadt. Grund zum Wundern geben auch der Gleichtakt des Alltags und die frugalen Mahlzeiten, die einem bei Einladungen serviert werden.

    Schwäbisches Capriccio
    Autor: Anšlavs Eglītis
    Aus dem Lettischen und mit einem Nachwort von Berthold Forssman
    Verlag: Guggolz
    ISBN 978-3-945370-47-6
    Preis: 25,00 €

  • Ökologie,  Roman,  Science Fiction

    Phytopia Plus von Zara Zerbe

    Zara Zerbes Debütroman spielt in einer nicht allzu fernen Zukunft. Der Klimawandel hat das seine bewirkt, Überschwemmungen, extreme Hitze, leere Supermärkte. Die Armen wohnen im südlichen Teil der Stadt, dem Brackland der Elbe, die Reichen im Norden in abgeriegelten, bewachten Wohnanlagen mit Biosupermarkt und Wachpersonal. Der Traum von einem Weiterleben nach dem physischen Tod ist nach wie vor vorhanden; und laut der Drosera AG gibt es die Möglichkeit, sein Bewusstsein via Chip in einer Pflanze zu speichern. Aylin ist Aushilfsgärtnerin in der Firma und pflegt diese Pflanzen. Privat handelt sie mit selbstgezogenen Pflanzen, um sich einigermaßen gesunde Nahrung leisten zu können. Als eine der Speicherpflanzen beginnt eine besonders schöne Blattzeichnung zu zeigen, nimmt sie Ableger davon mit nach Hause. Erwartungsgemäß finden Pflanzen mit dieser Maserung reißenden Absatz, doch Aylins Zweifel und Ängste wachsen, denn letztendlich ist es eine kriminelle Handlung Pflanzen aus den Gewächshäusern der Drosera AG mitzunehmen. Doch Aylin braucht Geld. Sie wünscht sich die 350 000 € zusammen zu bekommen, um das Bewusstsein ihres Großvaters mit einer Pflanze verschmelzen zu lassen.

    Wenn man Zara Zerbe in Aylins Leben folgt, macht sich ein leichtes Unwohlsein breit. Denn die sozialen Verwerfungen und die Umweltschäden, sind schon heute spürbar, wenn auch nicht so deutlich, wie in Phytopia Plus. Ein sehr heutiges Buch von einer Autor:in, die begriffen hat, das zeigen sehr viel eindringlicher ist, als beschreiben. So schwelgt sie nicht in Katastrophenbeschreibungen, sondern zeigt, wie die Menschen mit den Folgen leben müssen.

    Zara Zerbe hat für Phytopia Plus den Phantastik Preis der Wetzlar erhalten. Völlig zu Recht, wie ich finde.

    Phytopia Plus
    Autorin: Zara Zerbe
    Verlag: Verbrecher Verlag
    ISBN: 978-3-95732-581-5
    Preis: 25,00 €
  • Krimi

    Die Schnellimbissdetektivin von Liza Cody

    Hannah Abrahms ist Ex-Polizistin. Ex, weil sie ihren Sergant in einen Kanal geschubst hat. Seitdem versucht sie sich als Privatdetektivin mit kleinen Fällen, wie verschwundenen Hunden, streunenden Ehemänner und aus Kleingärten verschwundenem Gemüse, zu etablieren. Über Wasser hält sie sich, mit ihrer Arbeit in der Sandwich Shak, einem Imbiss in Südlondon, einen Job den sie hasst. An einer Stelle meint sie, dass sie mit Digby, dem Besitzer, die ehrlichste Beziehung hat, da sie sich beiden verabscheuen. So kündigt sie oder er sie mit schöner Regelmäßigkeit. Da der Zeitpunkt der Geschichte zu Covidzeiten ist, kommt das noch erschwerend hinzu.

    Hannah hat eine katastrophal gescheiterte Beziehung hinter sich, ist pleite, lebt bei einem lesbisch, militant veganen Paar zur Untermieter, die sie eigentlich nicht im Haus wollen und wo sie eigentlich nicht sein will. Sie hängt dazwischen und wütend. Hannah ist einerseits taff und arbeitet hart, so ist sie dankbar für jeden Fall und tut ihr Bestes. Bei all ihrer Rotzigkeit wünscht sie sich derartig geliebt und akzeptiert, schlicht gesehen zu werden, dass sie sich schon mal in der Beurteilung ihrer Mitmenschen vertut. So in Carl, der nette 80zig-jährige, der ihr einen einfachen Auftrag erteilt, aber leider vergessen hat so einiges zu erwähnen, was ihr eine Stalkerin beschert. Oder Mark, der Charmbolzen, mit dem sich eine Geschäftsbesprechung wie ein Date anfühlt, der aber anscheinend die eine oder andere Leiche im Keller hat.

    Liza Codys Krimis sind nie simple „Who dunnit’s?“. Ihre Protagonistinnen sind keine Superfrauen. In Lady Bag wird eine Obdachlose zur Detektivin und hier eine junge Frau, die in der Metropolitian Police Opfer von struktureller sexueller Gewalt wurde, die ihr auch im täglichen Leben immer wieder begegnet. Hannah, die sich tough und unberührbar gibt, ist sich sehr bewusst, wie dünn ihre Sicherheitsdecke ist. Es herrscht eine Wirtschaftskrise und die Schere zwischen arm und reich klafft im Post-Brexit London jeden Tag weiter auseinander. Auf der einen Seite ist da das Straßenkind BZee, das von Hannah und einigen Kleingärtnern durchgefüttert wird und auf der anderen Seite ihre Vermieterinnen, die ihren Veganismus zur Religion machen und auf die herabsehen, die sich das nicht leisten können.

    Fazit: Unbedingt Lesenswert!

    Die Schnellimbissdetektivin
    Autorin: Liza Cody
    Übersetzerin: Iris Konopik
    Verlag: Ariadne
    ISBN: 978-3-86754-275-3
    Preis: 18,00 €