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Einbalsamiert von Doug Johnstone
Dorothy, Jenny und Hannah, drei Generationen unter einem Dach, privat und beruflich verbunden, denn neben einem renomierten Bestattungsinstitut, betreiben sie eine Privatdetektei. Einbalsamiert ist der 3. Teil der Serie und es geht richtig rund. Jenny gewalttätiger Exmann ist immer noch frei und eine Bedrohung für die drei Frauen, hat er doch schon in den Vorgängern versucht sie zu töten. Diesmal entführt er die kleine Tochter seiner zweiten Frau und die Skelf Frauen machen sich auf die Suche. Damit nicht genug, schleppt Hund Einstein einen einbalsamierten Fuß an, der aber zu keine der Leichen in den skelfschen Kühlfächern passt. Es häufen sich Berichte, dass eine Raubkatze frei durch Edinburgh streift und Dorothy trifft auf sie. Dazwischen sind noch so einige Leute unter die Erde zu bringen.
Leider habe ich die Vorgänger nicht gelesen, was ich aber umgehend nachholen werde. Doug Johnstones Krimis haben immer eine besondere Note, der er in Einbalsamiert noch etwas drauf setzt. Da ist einmal die Nähe der Skelffrauen, der Humor, die unerwarteten Wendungen und dazu noch ein Jaguarweibchen, dass sich aus einer illegalen Zucht davon geschlichen hat. Einfach hinreißend, voller schwarzem Humor und, nun ja, in einem feinen Setting. Edinburgh ist halt die Krimistadt.
Einbalsamiert
Autor: Doug Johnstone
Übersetzer: Jürgen Bürger
ISBN: 9783910918122
Verlag: Polar e.K.
Preis: 26,00 € -
Die Welt die meine war – Die neunziger Jahre von Ketil Bjørnstad
Nach den 60ger, 70ger und 80ger Jahren sind es nun die 90ger. Ketil Bjørnstads, autobiografisches Großprojekt ist also weit fortgeschritten und dank des Osburg Verlages auch auf Deutsch zu lesen.
Ketil Bjørnstad ist in den 90ger Jahren angekommen, weltweiter Erfolg als Jazzpianist stellt sich ein und doch tut er sich immer noch schwer, weil er nicht bei der Klassik geblieben ist. Immer mal wieder taucht ein Gefühl von Verrat an seiner Musiklehrerin Amelie Christie auf, die ihm den Wechsel nie verziehen hat. Doch neben der musikalischen Arbeit mit Kari Bremness, David Darling, Terje Riksdahl, Jon Christensen und vielen mehr geht es für ihn voran und in die Welt hinaus. Privat geht die erste Ehe in die Brüche, damit einher geht der Abschied vom Inselleben auf Sandøya und der Verflust von Freundschaften. Die Journalistin C. tritt in sein Leben und der Lebensmittelpunkt verlagert sich nach Oslo.
Auch als Autor geht es gut voran. Villa Europa entsteht, ein Buch basierend auf Edvard Munchs Briefen und Notizen, ebenso, daraus wird auch ein Konzertprojekt. So geht es munter voran. Reisen in die USA, Bangladesh und ein zweijähriger Aufenthalt in Paris. Bjørnstad ist wie eine Kerze die an beiden Enden brennt, sagen seine Freund:innen. Er kann schlecht NEIN sagen, ist immer unterwegs und irgendwann erschöpft, doch kaum wieder auf den Beinen geht es weiter. Und jedes Jahr sagt Mutter Bjørnstad: ‚Es geht auf Weihnachten, da wird etwas Schlimmes geschehen‘. So ist es denn auch meistens. Denn „Die Welt die meine war -“ behandelt nicht nur die persönlichen Erlebnisse des Autors, sondern es ist auch eine Reise durch die Vorgänge der Zeit. Die Wiedervereinigung Deutschlands, die Auflösung der Sowjetunion, Flugzeugabstürze, Fluten und andere Katastrophen, ganz zu Schweigen von Bill Clintons sexuellen Unternehmungen. Die Katastrophe die ausbleibt, ist der Zusammenbruch der Wirtschaft durch die Datumsumstellung auf 2000.
Ein Leseerlebnis der besonderen Art. Bjørnstad ist in den 90gern in seinen 40zger Jahren. Er ist beruflich erfolgreich und scheint manchmal selbst nicht glauben zu können, dass es so ist. An manchen Stellen, schimmert unter dem klugen, anteilnehmenden Erzähler der dicke Bjørnstad Junge der 60ger Jahre durch, der sich danach sehnte irgendwo hinzugehören und befürchtete, seinen Platz inder Welt nicht zu finden. Das Ganze ist mit reichlich Humor gewürzt und ein schöner Rückblick auf eine bewegte Zeit.
Die Welt die meine war - Die neunziger Jahre
Autor: Ketil Bjørnstad
Übersetzer:innen: Andreas Brunstermann, Gabriele Haefs, Kerstin Reimers, Nils Hinnerk Schulz
Osburg Verlag
ISBN: 9783955103545
Preis: 28,00 € -
Osterende von Ulli Flessel
Es beginnt in Marienwerder, im Juni 1939, also kurz vor Beginn des 2. Weltkrieges. Karl und Hiltrud Rebuscheid leben mit ihren fünf Kindern ein zurückgezogenes Leben, neigt doch ihre ältere Tochter zu epileptischen Anfällen und ist in Gefahr zwangssterilisiert zu werden. Die Familie ist sich sehr eng, obwohl sich bereits leichte Risse durch die unterschiedlichen Einstellungen zur Politik der Nazis und den Kriegsahnungen zeigen. Karl Rebuscheit, der Vater hat den ersten Weltkrieg und dessen Verheerungen noch erlebt und ist verhalten, der älteste Sohn Walter hingegen begeistert. Zu allem sorgt noch der mittlere Sohn Freddy für Aufregung, weil er und seine Kusine Frizi sich ineinander verliebt haben. Was den Eltern wegen der nahen Verwandschaft nicht gefällt.
An der Niederelbe lebt die Familie Gerckens auf ihrem kleinen Hof, in der Nähe von Osterende. Das ist der Ort, an dem die beiden Familien nach dem Krieg aufeinandertreffen. Dort kommt es 1951 zur Hochzeit von Freddy und Hella Gehrckens. Auf dem Polterabend kochen die Gemüter hoch und es zeigt sich deutlich, dass das braune Gesankengut nicht mit dem Kriegsende verschwunden ist.
Ulli Flessel erzählt nicht nur die Geschichte zweier Familien, sondern wirft einen Blick auf die unterschiedlichsten Bewohner der Orte und schafft so ein Kaleidoskop von Eindrücken der Zeit und vor allem davon, was Krieg bedeutet und welche Auswirkungen der Faschismus bis in den privatesten Bereich hat.
Das Buch hat etwas von einer kleinen Zeitreise, so lebendig und vielschichtig ist das Leben der Personen geschildert. Es ist eines der Bücher, denen ich Unmengen Lesende wünsche und darum wäre es schön, wenn es auf vielen Plattformen sichtbar wäre. Bei allem Verständnis zu wünschen, dass die Leute nicht beim großen A kaufen, so gibt es auch noch Geniallokal, dort kann man bei seinem lokalen Buchhändler bestellen und entscheiden, ob man sich das Buch liefern lässt oder ob man es im bevorzugten Geschäft abholt.
Osterende
Autor: Ulli Flessel
Duckdalben Verlag
ISBN: 978-3-947351-13-8
Preis: 16,00 € -
Letzte Reise nach Paris von Michael Zeller
Es ist Frühling 1906, Paris, eine kleine Pension im Quartier Latin. Der angehende Dramatiker Anderland, brütet über seinen Notizen. Ein Stück über Marat, seinen Helden der französischen Revolution, will er schreiben, als Geräusche im Nebenzimmer darauf schließen lassen, dass er einen neuen Nachbarn bekommt. Es stellt sich heraus, dass es sich um eine Dame handelt, die Malerin Paula Moderson-Becker, die sich allerdings nun nur Becker nennt, da sie dabei ist sich von ihrem Mann, den Maler Otto Moderson zu trennen. Er beginnt Paula regelmäßig zu besuchen und wie es kommen muss, verliebt er sich in sie. Die Angebetete hat allerdings nur ein freundschaftliches Interesse an Anderland. Denn sie ist nach Paris gekommen um zu malen und um frei von jeglicher Bindung zu sein.
Anderland ist ein romantischer Schwärmer und da Paula Becker ihn nicht erhört, ist er sicher, es muss einen anderen geben. Da ist zum Beispiel dieser Rainer Maria Rilke, den Anderland regelrecht hasst und dann ein Mäzen, ein Herr Hötger, der Paulas Malerei fördert. Anderland ist überzeugt, dass es da doch ein Techtelmechtel geben muss. Er leidet also, aber nicht nur aus Liebe, sondern weil er bereits ahnt, dass sein Talent zum Dramatiker nicht wirklich reichen wird.
Im Nachwort erzählt Michael Zeller, wie er auf den Stoff gekommen, denn diesen Anderland hat es gegeben und die 30 Seiten, in der er über seine Begegnung mit Paula Moderson-Becker berichtet, wurden zur Grundlage für „Letzte Reise nach Paris“. Michael Zeller lässt seine beiden Hauptfiguren in ihren Ateliergesprächen die wichtigen Themen angehen, Kunst, Freiheit, Tod und Mutterschaft und das macht er brilliant und so lebendig, dass man das Gefühl hat dem Gespräch der Beiden zu lauschen und nicht nur davon zu lesen.
Eine absolute Leseempfehlung!
Letzte Reise nach Paris
Autor: Michael Zeller
Verlag: Rote Katze Verlag, Lübeck
ISBN: 978-3-910563-19-3
Preis: 20,00 €