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Close to Home von Michael Magee
Sean ist Anfang zwanzig, wurde im Arbeiterviertel von Belfast geboren und hangelt sich von Aushilfsjob zu Aushilfsjob von Party zu Party. Die meisten seines Alters sind so unterwegs. Es herrscht Wirtschaftskrise und so mit Arbeitslosigkeit. Obwohl er im selben Viertel wie seine Freunde Ryan, Mairead und Finn geboren wurde und ein ähnliches Leben lebt, steht er irgendwie abseits. Denn im Grunde erwartet er besseres von sich, da er im Gegensatz zu den anderen auf der Universität war. Seinen Wunsch Autor zu werden, hat er fast vergessen, bis er eines Tages jemanden bei einer Prügelei schwer verletzt und vor Gericht landet. Plötzlich sieht er sich durch die Augen des Richters und das Bild passt mit seiner Selbstwahrnehmung nicht überein. Er kommt ins Nachdenken und nach und nach verändert sich sein Leben.
Michael Magees Debütroman hat es in sich. Es ist nicht nur der harte Weg, den Sean zu sich selbst zurücklegt, es ist das Trauma der Troubles, dass wie eine Wolke über der Stadt, über Nordirland hängt. Fast alle der älteren Generation in Seans Viertel wissen um die Zeit. Michael Magee beschreibt nicht, wie es war, er lässt seine Personen zu Wort kommen. Seans Mutter etwa, die immer noch Panikattacken hat. Es ist ein starkes Buch, das ich gerne weiterempfehle.
Close to Home Autor: Michael Magee Übersetzer: Hannes Meyer Verlag: Eichborn ISBN: 978-3-8479-0147-1 Preis: 24,00 €
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Love will tear us apart von C. K. McDonnell
Endlich ist er auch auf deutsch erhältlich, der 3. Teil der Stranger Times Serie. Und so eine Freude. Doch die Geschichte beginnt mit einem schweren Schlag für die Belegschaft. Hannah, die stellvertretende Chefredakteurin, hat sich davon gemacht, angeblich um sich wieder mit ihrem Ex-Mann zu versöhnen. Chefredakteur Banecroft – Irlands Rache für alles, was England den Iren angetan hat -, wie Reginald Fairfax der 3., Geisterexperte, ihn nennt, hat Eheprobleme. Besonders schlimm, da die Gattin schon einige Zeit tot ist, nun aber durch einen Geist zu ihm spricht und seine Hilfe verlangt.
Hannah ist indessen in einem Luxus-Wellness-Resort gelandet, wo dunkle Machenschaften zu vermuten sind.
Der 3. Teil der Serie ist deutlich dunkler als die Vorgänger, aber nicht weniger lustig. Das mag nach einem Widerspruch klingen, ist es aber nicht. Denn C. K. McDonnell ist einer der Autoren, die ein gutes Gespür für Ausgewogenheit haben … und für Charaktere.
Es war wieder einmal eine Freude.
Lob auch für den Übersetzer André Mumot. Eine gute Übersetzung macht aus, dass der Leser, die Leserin, vergisst, dass das Buch ursprünglich in einer anderen Sprache geschrieben wurde. Das ist hier der Fall.
Zum Schluss möchte ich noch empfehlen, in jedem Fall Danksagung und Nachwort zu lesen. Bonuslacher garantiert.
Love will tear us apart Autor: C. K. McDonnell Übersetzer: André Mumot Eichborn Verlag ISBN 978-3-8479-0149-5 Preis: 24,00 €
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Antoniusfeuer von Monika Geier
Ein junger Afghane wird erhängt in seiner Zelle aufgefunden. Alles sieht nach Selbstmord aus, wenn da nicht die Gerüchte wären, dass er exorziert worden wäre. Man befürchtet großes Presseintresse und so wird Bettina Boll hinzugezogen. Schnell ist klar, es ist Selbstmord, aber dann verschwindet der katholische Sozialarbeiter, Mojo Hansen, der den Exorzismus betrieben haben soll, kurz nachdem, Bettina Boll mit ihm gesprochen hat. Die stösst auf immer mehr Ungereimtheiten im Umfeld des Verschwundenen. Ein stocksolider Pfarrer aus dem Dorf, kam bei einem Autounfall ums Leben, in seinem Blut wurden Spuren von LSD gefunden, respektive Mutterkorn, gefunden. Angeblich wurden Drogen an das Jugendzentrum in dem Hansen tätig war geliefert und immer wieder wird von dämonischer Besessenheit gemunkelt.
Neben der Ermittlung hat sich auch einiges in Bettina Bolls Privatleben verändert. Sie ist mit ihren Adoptivkindern in die, von ihrer verhassten Tante ererbte, Villa gezogen. Merkwürdige Geräusche, eine Leiche im Keller gefunden und ein aufdringlicher Nachbar, machen das Leben der Ermittlerin nicht einfacher.
Monika Geier hat ein Händchen dafür Alltägliches mit Ungewöhnlichem zu verknüpfen. So ist ihre Ermittlerin eine alleinerziehende Mutter zweier Teenager, mit teenagertypischen Problemen, beruflich hat sie mit dem alltäglichen Sexismus der Behörde zu tun, sie ist gut in ihrem Job und hat eine Wahrnehmung für das, was anderen verborgen bleibt. Es ist bereits der 8. Fall für Bettina Boll und die Grundidee ist klasse, doch leider flacht der Spannungsbogen immer mal ab, weil es einfach zu viele Nebenschauplätze und Personen gibt. Da wäre weniger mehr gewesen.
Antoniusfeuer Autorin: Monika Geier Verlag: Argument_Ariadne ISBN: 978-3-86754-270-8 Preis: 24,00 €
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Zwölf Wörter von Oskar Maier von Levi Henriksen
Der Sänger, Levi Henriksen, macht einen Zwischenstop in seiner Heimatstadt Kongsvinger. Er will nach Schweden und dort in Ruhe sein neues Album, von dem er meint es wäre sein letztes, zu schreiben. Einen Tag vor der Abreise klingelt das Telefon und eine Frau, dem Klang nach Deutsche, erzählt ihm, dass ihr Vater und seine Mutter einmal ineinander verliebt waren und dass sie gerne das Grab seiner Mutter besuchen würde. Ihr Vater, jener Oskar Maier aus dem Titel, hatte immer wieder behauptet, nur durch sie hätte er Krieg und Gefangenschaft überstanden. Der Sänger zögert, doch letztlich stimmt er zu. Bei dem Treffen erhält er neben einer Rose mit einem seltsamen Namen, einige Briefe, die seine Mutter, Tea, an Oskar geschrieben hat und Fotos aus dieser Zeit. Sie hatten sich vor dem Krieg kennengelernt und wurden durch den Krieg getrennt. Mit dem Lesen der Briefe öffnet sich ein anderer Blick auf die Mutter und bringt so einiges, was er als sicher glaubte, ins Wanken.
Dieses, nicht einmal besonders dicke Buch, vereint soviele Themen in sich. Erste Liebe, der Zufall der eigenen Existenz, die Schrecken des Krieges, wie zuverlässlich sind unsere Erinnerungen, wie mutig wäre man in der Besatzungszeit gewesen? Levi Henriksen weiß, wie kaum ein Zweiter, all diese Themen mit Leichtigkeit zu verbinden.
Unbedingte Leseemfpehlung!
Zwölf Wörter von Oskar Maier Autor: Levi Henriksen Übersetzerin: Gabriele Haefs Nachdichtung der Liedtexte: Peter Braukmann Alfred Kröner Verlag ISBN 978-3-520-62801-5 Preis: 25,00 €
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Nur ein wenig Angst von Alexander Kielland Krag
Cornelius ist fast 18, Gymnasiast, beliebt bei seinen Freunden und Freundinnen. Er hat liebevolle Eltern, ist ein guter Fußballspieler und Schüler … und er ist sich bewusst, dass er es schon gut getroffen hat um Leben. Und doch passiert es, er ist auf einer Party und von einem Moment auf den anderen, wird im schelcht, er hat Herzrasen, muss raus … und erkennt, er hat Angst. Von diesem Moment bestimmen Panikattacken sein Leben. Er geht in Therapie, aus Scham als verrückt abgestempelt zu werden, mag er seinen Freunden nicht erzählen, was mit ihm los ist und er wünscht sich nur eines: Das endlich wieder alles ist wie früher.
Alexander Kielland Krag hat für Cornelius Geschichte einen besonderen Stil gewählt, auf manchen Seiten gibt es nur kurze Absätze, manchmal nur einen Satz und gerade diese Form, bringt den Leser, die Leserin, besonders in Kontakt mit C. Geschichte. Ich wünsche diesem Buch viele Leser und Leserinnen. Normalerweise habe ich etwas gegen Triggerwarnungen, die ich in diesem Buch gerechtfertig fand und auch, dass es eine Liste mit Hilfsorganisationen gibt.
Das Buch wurde 2022 mit dem Uprisen ausgezeichnet und war für Kinder- und Jugendbuchpreis des Norwegischen Kulturministeriums nominiert.
Nur ein wenig Angst Autor: Alexander Kielland Krag Übersetzerin: Gabriele Haefs Arctis Verlag ISBN: 978-3-0388008-35 Preis: 16,00 €
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Die Unwürdigen von Roy Jacobsen
Roy Jacobsen führt uns nach Oslo, zur Zeit der deutschen Besatzung Norwegens. Es ist nicht das Oslo des Wohlstands. Carl, Mona, Olav und die anderen Jugendlichen leben mit ihren Eltern in einer Wohnsiedlung am Rande der Stadt. Keiner ist reich, nicht einmal wohlhabend, und unter dem Regime der Besatzer ist es noch schlimmer, als in Friedenszeiten. Zur Schule gehen Carl und seine Freunde und Freundinnen nur sehr sporadisch, sie sind zu sehr damit beschäftigt mit Diebstahl, Betrug und Schwarzmarktgeschäften ihre Familien zu unterstützen. Und da die Zeiten nun mal schlecht sind, und die Erwachsenen oft genug nicht wissen, wie sie alle satt bekommen sollen, fragen sie auch nicht, woher die Kinder das Geld haben, da sie Muttern so zustecken.
Roy Jacobsen hat mit „Die Unwürdigen“ ein sehr ungewöhnliches Buch über diese Zeit geschrieben. Denn seine Protagonisten sind die Beraubten. Die, denen man ihre Kindheit genommen hat. Ansonsten sind alle da, die Unterdrüker, Ja-Sager, die sich Beuger, die Widerständler und die Denunzianten. Es ist ein sehr besonderes Buch, das ich nur empfehlen kann.
Die Unwürdigen Autor: Roy Jacobsen Übersezter:innen: Andreas Brunstermann & Gabriele Haefs C. H. Beck Verlag ISBN 978-3-406-80691-9 Preis: 26,00 €
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One for the Rock von Kevin Major
Sebastian Synard, Ex-Lehrer, aktuell Fremdenführer und Inhaber des Tourismusunternehmens One for the Rock(s) auf Neufundland, ist mit einer Reisegruppe von sechs Personen unterwegs, von denen einer von der Klippe stürzt. Ein Unfall? Natürlich ist es möglich, doch so einiges deutet so nach und nach darauf hin, dass da vielleicht doch jemand nachgeholfen haben könnte. Doch welcher dieser sechs sehr unterschiedlichen Leute? Und vor allem warum? Sebastian beginnt Fragen zu stellen, was ihm nicht so gut bekommt.
„One for the Rock“ ist der Auftakt zu einer Krimiserie, um den Fremdenführer, Bücherfreund und Whiskyliebhaber Sebastian Synard. Neufundland, die Heimat des Autors, ist natürlich ein wundervolles Setting für eine Krimigeschichte; und vor allem bei weitem nicht so abgegrast, wie manche andere Regionen. Der Protagonist ist natürlich auch mit einer persönlichen Geschichte versehen, geschieden, ein Sohn und überraschender Hundebsitzer. Er liebt Whisky und Bücher, schreibt einen Blog dazu und lässt es sich gerne gutgehen. Seine Touren sind exklusiv, was die überschaubare Zahl der Teilnehmer erklärt.
Der Erzählstil des Autors ist locker und es macht Spaß einen Blick in Sebastians Leben zu werfen, und dabei so einiges über Neufundland und Whisky zu erfahren. Doch genau hier liegt auch die Schwäche des Buches. Etwas weniger Sightseeing und Whiskyplauderei und dafür ein wenig mehr Augenmerk auf den Krimiplot, der an einigen Stellen doch ein wenig lau wirkt, hätte dem Buch gut getan. Trotz dieses Mankos habe ich „One for the Rock“ gerne gelesen und empfehle es gerne weiter.
One for the Rock Autor: Kevin Major Übersetzer: Norbert Jakober Verlag: Pendragon ISBN: 978-3-86532-859-5 Preis: 18,00 €
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Straffers Nacht von Wolfgang Wissler
Deutschland in den 60ziger Jahren. Das Land ist im Aufschwung. Auch viele der ehemaligen Nazis schwimmen wieder ganz oben mit. Das gilt nicht für Erich Straffer, der ehemalige SS General ist nun Nachtwächter, auch wenn er weiterhin Kontakt zu den ehemaligen Kameraden hat. Die, die der Justiz nach dem Krieg entwischt sind, behalten sich gegenseitig gut im Auge, denn sollte einer zu reden beginnen, könnten doch noch Köpfe rollen.
Doch zurück zu Straffer, der als SS General in Russland Massenerschießungen angeordnete und beaufsichtiget. Der Lager kontrollierte und Menschen ins Gas schickte, ohne die Befehle von oben je in Frage zustellen.
Doch nun in den 60zigern ist Schluss mit Befehlgewalt, nun ist Straffer Nachtwächter und trägt statt der Generalsuniform ein, wie er es nennt, Karnevalskostüm. Auf philosophischer Ebene ist Straffer sich bewusst, dass die Opfer seiner Schlächter einen Anspruch auf Gerechtigkeit haben. Dass auch er bestraft werden sollte. Doch tief geht das Gefühl nicht. Eines Tages bekommt er einen neuen Kollegen, Reuben Horowitz, ein junger Israeli, der nach Deutschland gekommen ist, um den Mörder seines Onkels zur Rechenschaft zu ziehen. Straffer ist überzeugt, dass das kein Zufall ist.
In diesem Buch geht es nicht um Göring, Eichmann und Himmler, sondern um die, die deren Befehle ausgeführt haben. Die durch ein unmenschliches Regime die Genehmigung zu millionenfachen Massenmord bekamen, und von denen, die meisten, auch nach dem Krieg, keine Schuld empfinden, sondern eher Bedauern darüber, dass die Zeit der Herrenmenschen vorbei ist.
Wolfgang Wissler konfrontiert seine Leser, seine Leserinnen, mit der Frage: Wie gut, kennst du deinen Nachbarn? Ist der etwas nervige Mann neben dir am Tresen, vielleicht einer von denen, deren Arbeitstag im Krieg, aus den Erschießen oder Vergasen unschuldiger Menschen bestand? Zu was ist der Mensch fähig? Wieviel Bestie steckt im Menschen?
Ein wichtiges Buch! Gerade in diesen Zeiten, in denen ein Rechtsruck durch Europa geht und Krieg nicht mehr etwas ist, von dem Opa immer erzählte.
Straffers Nacht Autor: Wolfgang Wissler Verlag: Pendragon ISBN: 978-3-86532-819-9 Preis: € 22,00 Einband: Hardcover Seiten: 240 erschienen am: 16.08.2023 Formate: e-book